Kongress 2012

Zum Titelbild:

Heinrich Hoerle (1895 - 1936) "Denkmal der unbekannten Prothesen" Für das FOT-Programmheft wird in jedem Jahr erneut ein markantes Cover-Bild gesucht. So sei an die Spiegelfolie, an den rot-blauen Stuhl von Gerrit Rietveld, Bilder von Hundertwasser, Frieda Kahlo oder Leonardo Da Vinci erinnert, die in den zurückliegenden Jahren unser Programmheft zum Blickfang machten. Dazu gehörten auch Bilder von behinderten und nichtbehinderten Kindern und Jugendlichen. Diesmal konnte die erste Idee, ein Bild aus einer Serie der Schülerarbeiten zu nehmen, aus der wir schon 2001
zum Kongress in Wetzlar das Coverbild benutzten, nicht umgesetzt werden. Denn nach mehr als 10 Jahren waren die Originale leider nicht mehr greifbar. So begann die Suche nach einer Darstellung, die zur Orthopädie-Technik oder vielleicht sogar zum Thema Prothetik passen würde. Also suchten wir einen Eye-Catcher mit Abdruckrechten. So stieß Norbert Stockmann auf den deutschen Maler Heinrich Hoerle und auf sein Bild "Denkmal der unbekannten Prothesen", das 1930 entstanden war und sich nun im Besitz des Von der Heydt-Museums in Wuppertal befindet. So war es denn leicht, die Abdruckrechte zu erhalten. In einer so kurzen Darstellung wie hier kann man dem Wirken eines Künstlers wohl nicht vollständig gerecht werden. So soll nur der Versuch unternommen werden, den Künstler Hoerle vorzustellen, um vielleicht einen Zugang zu dessen Werken zu erhalten: Heinrich Hoerle wurde 1895 in Köln geboren, also in eine Zeit des sozialen, politischen und künstlerischen Auf- und Umbruchs hinein. Er war im ersten Weltkrieg Soldat (Telefonist bei der Feldartillerie). Nicht nur deshalb hat er etliche Bilder von Amputierten gemalt. In der Sprache seiner Zeit waren das "Krüppel". So wurden wir bei der Recherche nach einem passenden Coverbild durch seine "Krüppel- Mappe" von 1920 auf ihn aufmerksam. Diese Mappe besteht aus 12 Lithografien mit unterschiedlichen Darstellungen Kriegsversehrter. Es gibt anscheinend keine belegten Aussagen und Beschreibungen seiner Kriegserlebnisse. Seine pazifistische und sozialkritische Haltung kommt aber durch seinen Karikaturen, Holz- und Linoldrucke zum Ausdruck. Er gehörte in seiner künstlerischen Entwicklung zum rheinischen Expressionismus, der um Auflösung des zentralperspektivischen Illusionsraums bemüht war, nicht aber um Auflösung jeder Räumlichkeit (siehe Literatur- hinweis an Ende des Artikels). Denn neben den Proportionen eines Körpers, hat der Maler nur eine zweidimensionale Malfläche für die Darstellung dreidimensionaler Körper zur Verfügung. Die Expressionisten, Kubisten (Pablo Picasso) und Konstruktivisten (Kasimir Malewitsch) gaben auf diese Problematik ihre eigene neue, moderne Antwort, die deutlich vom damaligen allgemeinen oder staatlich verordneten Kunstverständnis abwich. Das war wohl ein wesentlicher Punkt, weshalb auch Hoerle mit den Nazis Schwierigkeiten bekam und etliche seiner Werke verschollen sind. Aber sein wacher Intellekt und sein scharfer Sarkasmus ließen ihn ironische zeitkritische Karikaturen und Bilder malen. Er arbeitete in verschiedenen sozial- oder politikkritischen Zeitschriften mit, wie der "Strom", "Aktion" oder "Ventilator", einer politischen, scharf satirischen Wochenschrift. Er war Autodidakt, sein künstlerisches Handwerk lernte er durch den Kontakt zu vielen anderen Künstlern. Eine gewisse Überzeugung des eigenen Talentes gehört wohl dazu. Heinrich Hoerle und seine Frau Angelika (ebenfalls Malerin) wandten sich eine Zeitlang den Dadaisten zu. Ab der Mitte der zwanziger Jahre gehörten er und sein Freund Franz Wilhelm Seiwert zum Kern der revolutionären Konstruktivisten "Gruppe progressiver Künstler". Unser Coverbild (Denkmal der unbekannten Prothesen) entstand 1930 und zeigt sich ganz im Sinne des Konstruktivismus. Die Bezeichnung dieser Stilrichtung leitet sich vom lateinischen Wort constructio ab, was "Verbindung" oder "Zusammenfügung" bedeutet. Und so scheinen die Darstellungen tatsächlich durch farbige geometrische Flächen zusammengesetzt, was klare Strukturen ergibt. Danach, in den letzten Lebensjahren, entdeckte Hoerle für sich die Wachsmalerei wieder, so dass er diese alte Maltechnik fast ausschließlich anwandte. Es war ihm kein langes Leben vergönnt. Er starb, wie sein Vater, seine Schwester und auch seine Frau Angelika, an Tuberkulose. So wie die Künstler jener Zeit nach neuen, ja vielleicht auch besseren Darstellungsformen strebten, so werden wir in diesem Jahr bei unserer Jahrestagung in Berlin durch unseren kollegialen und fachlichen Austausch nach besserer Versorgung der uns anvertrauter Patienten streben. Dazu gehört neben der sachlichen Information über den aktuellen Stand der Technik auch ein Ausblick auf die sich anbahnenden zukünftigen Entwicklungen. Das wird uns hoffentlich in eine rege Diskussion führen. Detlef Kokegei

Literatur:

Heinrich Hoerle Leben und Werk 1895 - 1936, Text und Werkkatalog von Dirk Backes Mit weiteren Beiträgen von Wolfram Hagspiel und Wulf Herzogenrath Rheinland-Verlag GmbH Köln 1981, in Kommission bei Rudolf Habelt Verlag mbH Bonn

Kongress 2012

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Heinrich Hoerle (1895 - 1936) "Denkmal der unbekannten Prothesen" Für das FOT-Programmheft wird in jedem Jahr erneut ein markantes Cover-Bild gesucht. So sei an die Spiegelfolie, an den rot-blauen Stuhl von Gerrit Rietveld, Bilder von Hundertwasser, Frieda Kahlo oder Leonardo Da Vinci erinnert, die in den zurückliegenden Jahren unser Programmheft zum Blickfang machten. Dazu gehörten auch Bilder von behinderten und nichtbehinderten Kindern und Jugendlichen. Diesmal konnte die erste Idee, ein Bild aus einer Serie der Schülerarbeiten zu nehmen, aus der wir schon 2001 zum Kongress in Wetzlar das Coverbild benutzten, nicht umgesetzt werden. Denn nach mehr als 10 Jahren waren die Originale leider nicht mehr greifbar. So begann die Suche nach einer Darstellung, die zur Orthopädie-Technik oder vielleicht sogar zum Thema Prothetik passen würde. Also suchten wir einen Eye- Catcher mit Abdruckrechten. So stieß Norbert Stockmann auf den deutschen Maler Heinrich Hoerle und auf sein Bild "Denkmal der unbekannten Prothesen", das 1930 entstanden war und sich nun im Besitz des Von der Heydt-Museums in Wuppertal befindet. So war es denn leicht, die Abdruckrechte zu erhalten. In einer so kurzen Darstellung wie hier kann man dem Wirken eines Künstlers wohl nicht vollständig gerecht werden. So soll nur der Versuch unternommen werden, den Künstler Hoerle vorzustellen, um vielleicht einen Zugang zu dessen Werken zu erhalten: Heinrich Hoerle wurde 1895 in Köln geboren, also in eine Zeit des sozialen, politischen und künstlerischen Auf- und Umbruchs hinein. Er war im ersten Weltkrieg Soldat (Telefonist bei der Feldartillerie). Nicht nur deshalb hat er etliche Bilder von Amputierten gemalt. In der Sprache seiner Zeit waren das "Krüppel". So wurden wir bei der Recherche nach einem passenden Coverbild durch seine "Krüppel-Mappe" von 1920 auf ihn aufmerksam. Diese Mappe besteht aus 12 Lithografien mit unterschiedlichen Darstellungen Kriegsversehrter. Es gibt anscheinend keine belegten Aussagen und Beschreibungen seiner Kriegserlebnisse. Seine pazifistische und sozialkritische Haltung kommt aber durch seinen Karikaturen, Holz- und Linoldrucke zum Ausdruck. Er gehörte in seiner künstlerischen Entwicklung zum rheinischen Expressionismus, der um Auflösung des zentralperspektivischen Illusionsraums bemüht war, nicht aber um Auflösung jeder Räumlichkeit (siehe Literatur-hinweis an Ende des Artikels). Denn neben den Proportionen eines Körpers, hat der Maler nur eine zweidimensionale Malfläche für die Darstellung dreidimensionaler Körper zur Verfügung. Die Expressionisten, Kubisten (Pablo Picasso) und Konstruktivisten (Kasimir Malewitsch) gaben auf diese Problematik ihre eigene neue, moderne Antwort, die deutlich vom damaligen allgemeinen oder staatlich verordneten Kunstverständnis abwich. Das war wohl ein wesentlicher Punkt, weshalb auch Hoerle mit den Nazis Schwierigkeiten bekam und etliche seiner Werke verschollen sind. Aber sein wacher Intellekt und sein scharfer Sarkasmus ließen ihn ironische zeitkritische Karikaturen und Bilder malen. Er arbeitete in verschiedenen sozial- oder politikkritischen Zeitschriften mit, wie der "Strom", "Aktion" oder "Ventilator", einer politischen, scharf satirischen Wochenschrift. Er war Autodidakt, sein künstlerisches Handwerk lernte er durch den Kontakt zu vielen anderen Künstlern. Eine gewisse Überzeugung des eigenen Talentes gehört wohl dazu. Heinrich Hoerle und seine Frau Angelika (ebenfalls Malerin) wandten sich eine Zeitlang den Dadaisten zu. Ab der Mitte der zwanziger Jahre gehörten er und sein Freund Franz Wilhelm Seiwert zum Kern der revolutionären Konstruktivisten "Gruppe progressiver Künstler". Unser Coverbild (Denkmal der unbekannten Prothesen) entstand 1930 und zeigt sich ganz im Sinne des Konstruktivismus. Die Bezeichnung dieser Stilrichtung leitet sich vom lateinischen Wort constructio ab, was "Verbindung" oder "Zusammenfügung" bedeutet. Und so scheinen die Darstellungen tatsächlich durch farbige geometrische Flächen zusammengesetzt, was klare Strukturen ergibt. Danach, in den letzten Lebensjahren, entdeckte Hoerle für sich die Wachsmalerei wieder, so dass er diese alte Maltechnik fast ausschließlich anwandte. Es war ihm kein langes Leben vergönnt. Er starb, wie sein Vater, seine Schwester und auch seine Frau Angelika, an Tuberkulose. So wie die Künstler jener Zeit nach neuen, ja vielleicht auch besseren Darstellungsformen strebten, so werden wir in diesem Jahr bei unserer Jahrestagung in Berlin durch unseren kollegialen und fachlichen Austausch nach besserer Versorgung der uns anvertrauter Patienten streben. Dazu gehört neben der sachlichen Information über den aktuellen Stand der Technik auch ein Ausblick auf die sich anbahnenden zukünftigen Entwicklungen. Das wird uns hoffentlich in eine rege Diskussion führen. Detlef Kokegei

Literatur:

Heinrich Hoerle Leben und Werk 1895 - 1936, Text und Werkkatalog von Dirk Backes Mit weiteren Beiträgen von Wolfram Hagspiel und Wulf Herzogenrath Rheinland-Verlag GmbH Köln 1981, in Kommission bei Rudolf Habelt Verlag mbH Bonn
FOT Fortbildungsvereinigung für Orthopädie-Technik e.V.
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